Alles anzeigenDerzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden sowohl gegen denjenigen, der den Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Mörder in Chemnitz „geleakt“ hat als auch gegen diejenigen, die ihn in den sozialen Medien veröffentlicht haben. Doch welche Strafen drohen überhaupt? Kommt darüber hinaus eine zivilrechtliche Haftung in Betracht? Und welche Konsequenzen hat die Veröffentlichung des Haftbefehls für den Beschuldigten?
Von Kalispera Dell, https://www.panoramio.com/photo/116139835 – CC BY 3.0.
Kurz nach den Ausschreitungen in Chemnitz durch Rechtsradikale verschiedener Gruppierungen ist ein Haftbefehl gegen einen 22-jährigen Iraker im Internet aufgetaucht. Der Mann soll, gemeinsam mit einem 23-jährigen Syrer, mutmaßlich einen 35 Jahre alten Deutschen auf einem Chemnitzer Stadtfest erstochen haben. Dieses Ereignis hatte zu den gewalttätigen Ausschreitungen in der Stadt durch ca. 6000 Rechte geführt, darunter viele gewaltbereite Neonazis und Hooligans. Diese hatten die Tat zum Anlass genommen, ihre demokratiefeindliche Gesinnung durch Angriffe gegen ausländisch aussehende Personen, linke Gegendemonstranten und Polizisten sowie das strafbare Zeigen des Hitlergrußes zum Ausdruck zu bringen. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Der Haftbefehl, der vom Amtsgericht Chemnitz ausgestellt worden war, ist kurze Zeit später im Netz aufgetaucht und unter den Rechten rasant verbreitet worden. Pegida-Gründer Lutz Bachmann, ein Kreisverband der AfD und die rechte Gruppierung „Pro Chemnitz“ hatten ihn teilweise geschwärzt im Internet veröffentlicht und verbreitet. Das Dokument soll laut offiziellen Einschätzungen wohl echt sein. Trotz der Schwärzungen sollen der volle Name des Opfers, des mutmaßlichen Täters sowie der Richterin zu sehen sein, ebenso wie der Wohnort des Beschuldigten. Geschwärzt waren zwar ursprünglich die Adresse des mutmaßlichen Täters und die Namen und Adressen der Zeugen – doch über eine russische Seite anonymusnews.ru soll das Dokument sogar ohne jegliche Schwärzung publiziert worden sein.
Unklar ist, wie das Dokument in die Hände der Rechten gelangen konnte. Es wird ein Leck auf Seiten der ermittelnden Behörden vermutet. Wer den Haftbefehl jedoch ins Netz gestellt hat, darüber herrscht immer mehr Klarheit. So hat Pegida-Gründe Lutz Bachmann das Dokument bei Telegram veröffentlicht. Auch die Verantwortlichen von „Pro Chemnitz“ sollen für die Verbreitung gesorgt haben. Nun wurde bekannt, dass auch der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Jan Timke aus Bremerhaven das Schriftstück bei sich auf Facebook veröffentlicht haben soll. Deshalb wurde am Mittwochabend eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei ihm durchgeführt und elektronische Geräte wie Smartphones und Computer sichergestellt. Früher war der Rechtspopulist beim Bundeskriminalamt (BKA) tätig, nun sitzt er für die rechtspopulistische Gruppe „Bürger in Wut“ in der Bremer Bürgerschaft.
Mögliche Strafbarkeit desjenigen, der den Haftbefehl weitergegeben hat
Wer den Haftbefehl ursprünglich veröffentlicht hat, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt derzeit gegen Unbekannt wegen der Verletzung und Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen durch Amtsträger, § 353b Strafgesetzbuch (StGB). Gemäß § 353b des Strafgesetzbuches (StGB) wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Strafbar nach dieser Norm können sie nur Amtsträger, z.B. Polizei- bzw. Justizbeamte oder Staatsanwälte, machen oder aber Personen, denen besondere Geheimhaltungspflichten obliegen, z.B. V-Leute oder Sachverständige.
Mögliche Strafbarkeit von Lutz Bachmann, Jan Timke und allen, die das Dokument veröffentlicht haben
Lutz Bachmann, Jan Timke und alle, die das Schriftstück bei sich in den Sozialen Medien veröffentlicht haben, könnten sich gemäß § 353d StGB strafbar gemacht haben. Nach § 353d Nr. 3 StGB wird Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein amtliches Schriftstück (Haftbefehl) eines Strafverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Nach dieser Strafnorm kann sich also jeder strafbar machen, der für die Veröffentlichung der entsprechenden Dokumente sorgt. Grund für die Strafbarkeit ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches u.a. zu einer Unschuldsvermutung bis zur rechtskräftigen Verurteilung in einem Strafverfahren führt. Die Staatsanwaltschaft Bremen hat zumindest gegen Timke schon ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Haftung von Personen, die den Bachmann-Post teilen
Die Veröffentlichung der Namen und Adressen stellt zudem eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Daher kommt auch eine privatrechtliche Haftung der Verbreiter in Betracht. Nämlich dann, wenn sie sich den fremden Post inhaltlich zu Eigen machen. Nutzer, die die Meldung mit einem unterstützenden Kommentar versehen, können grundsätzlich also auch rechtlich verantwortlich gemacht werden.
Verbreitung des Haftbefehls könnte sich strafmildernd für Beschuldigten auswirken
Was die Rechten, die den Mord und die Veröffentlichung des Haftbefehls für ihre Zwecke instrumentalisieren, vermutlich nicht beabsichtigt haben: Weil es durch die Veröffentlichung möglicherweise zu einer Vorverurteilung des Beschuldigten gekommen ist, könnte es später im Strafverfahren möglicherweise zu einer Strafmilderung kommen.
tsp/ahe
The post Rechte veröffentlichen Haftbefehl im Netz – Welche Strafen drohen den Tätern? appeared first on WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte.
Quelle: https://www.wbs-law.de/strafre…drohen-den-taetern-78120/